Donnerstag, 28. April 2016

Es war einmal ... und noch kein Ende

Es war einmal eine Prinzessin, die sich in ihrer Welt sehr wohl fühlte.
Sie herrschte über ein wunderschönes Reich, liebte es, in den Wäldern, den Bergen und den Dörfern herumzustreifen, über ihre Untertanen zu herrschen, sie durch ihr Leben zu geleiten und ihnen in guten, wie auch in schlechten Zeiten beizustehen.
Eines Tages, sie ritt gerade auf ihrem Ross Obstinato durch den tiefen Wald, sprang ein dunkler Fremder (ab sofort heißt er Fremd-Charming) vor ihr aus dem Gesträuch. Ehe sie ihn maßregeln konnte, scheute Obstinato jedoch, und galoppierte wild los.
Mit Müh und Not gelang es der edlen Prinzessin, im Sattel zu bleiben, (nebenbeibemerkt ein harter, unbequemer Sattel, der einzig und allein existierte, um die Prinzessin daran zu erinnern, wie hart das Leben als Herrscherin über ein derart abenteuerliches Reich war). 

Obgleich die Prinzessin zu den besten Reitern ihres Reiches gehörte, verlor sie bei dem unglückseligen Zwischenfall einen Stiefel.
Wieder zurück in ihr prächtiges Chateau schickte sie alsbald ihre Vasallen los, um den Stiefel, an dem ihr Herz hing, aufzuspüren. Es waren eben sehr gute, schöne, extra für sie angefertigte Stiefel und auch eine Prinzessin muss sparen, schon alleine um als gutes Vorbild zu bestehen.
Doch die unbedachten Burschen verloren sich auf ihrer Suche nach dem Schuhwerk im wilden Gezeter darüber, wer denn nun der beliebteste Knecht der Prinzessin sei und sahen dadurch den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Und es ist ein großer, großer Wald mit vielen, vielen Bäumen.


Schließlich und endlich mussten sie mitten in der Wildnis rasten. 
Ja, wenn man streitet, vergisst man die Zeit, und wer will schon des Nächtens durch einen undurchdringlichen Wald hetzen, in dem, laut Legenden, die seltsamsten Wesen lebten. 
Die Prinzessin hatte ihnen Geschichten erzählt, von Geistern, die arme Menschen heimsuchten, Wendigos und allerlei anderen Dämonen. 
So begab es sich, dass sie einfach aus Angst, inmitten des Waldes ihr Lager aufschlugen.
Der dunkle Fremd-Charming indes, hatte sich längst schon mit dem feinen Stiefel aus dem Staube gemacht. 

Eigentlich hätte er auch kein Pferd erschrecken wollen. 
Nun, sein Plan, nach dem Weg aus diesem undurchdringlichen Wald zu fragen, war damit vertan.
Dafür beschloss er, dem unbekannten, lieblichen Mädchen diesen prächtigen Stiefel zurückzubringen, also falls er es jemals aus diesem Wald herausschaffte.
Die irritierend wunderschöne Frau auf dem scheuen Pferd gefiel ihm gut. 
Da er um Märchen und ihre Auswirkungen wusste, konnte es keinen Zweifel ob des maßgeschneiderten Stückes geben. Dieser Stiefel konnte nur ‚Der Einen‘ passen. 
So begab sich Fremd-Charming auf die Suche nach dem zauberhaften Fuß, zu dem dieser Stiefel gehörte.
... tja, noch sucht er – und die Prinzessin wartet ungeduldig auf ihren Stiefel.
Fortsetzung folgt, oder auch nicht ...


Mal sehen, ob die Prinzessin (ich) ihren Stiefel wieder bekommt (soviel zur Fortsetzung meiner Roman-Serie).
Hoffentlich findet der Fremde überhaupt aus der Wildnis (der Fremde ist halt irgendjemand/irgendwas, der/das sich noch nicht zu erkennen gegeben hat, aber daran schuld ist, dass die Autorin genervt wartet).
Verwirrend? Tut mir leid, aber der Text sollte auch nicht besonders klug oder vernünftig sein.






Hier die Erklärung:

Ich habe bereits 2 Teile meiner Mistydew-Serie unter die Leser gebracht - und das mit Freude!

Teil 3 kommt demnächst (Juni/Juli) auf dem Markt (ist in der Korrektur) und Teil 4 - tja, da drückt/ beziehungsweise fehlt eben dieser Stiefel.
Teil 4 sträubt sich, obwohl die Struktur der Story fertig ist und ich sogar fast weiß, wie dieser Roman endet. Nur: Neue Charaktere stoßen zu dem bekannten Trio hinzu und die tun sich ein wenig schwer, sind aber notwendig, um die Serie so weiterzugestalten, wie sie mir vorschwebt. 

Die drei Einführungswerke bildeten den Grundstein für eine, wenn es nach mir geht, fortlaufende Serie, die jedoch auch für die geeignet ist, die die drei ersten Bände nicht kennen. So wie Krimis mit den gleichen Helden.
Jeder Roman ist nach wie vor ein einzeln abgeschlossenes Projekt, also auch für Quereinsteiger kein Leseproblem.
Dann ist das Projekt zusätzlich eine Mega-Herausforderung, weil viel Handlung umgesetzt werden will und ich im Moment nicht weiß, wie
aber das kommt noch.
Ich habe keine Schreibblockade, dazu hab ich viel zu viele Ideen, Entwürfe, Versuche, aber ich kämpfe im Augenblick mit meiner Autoren-Komfortzone, die ich früher oder später verlassen muss, soll die Fortsetzung gut werden. 

Wer Fragen hat, der möge sie ruhig stellen. Ich werde versuchen, zu antworten. 


Während die Mistydew-Serie ein bisschen Urlaub von der Autorin braucht, wird sich diese mit weiteren Projekten aus ihrem umfangreichen Repertoire beschäftigen. 

Ein wenig Abstand zum eigenen Text hat immer schon geholfen. Danach fällt es leichter, wieder daran zu arbeiten.




 

Montag, 25. April 2016

Wenn der Herrgott nicht will ...

Eine Geschichte aus der Altenbetreuung
Handlung und Personen sind fiktiv, dennoch könnte es irgendwo so, oder so ähnlich passiert sein


Die alte Dame saß in ihrem Sessel, eine Decke über die Beine gebreitet, und summte leise eine Melodie aus dem Radio mit.

»Wenn der Herrgott ned will, nutzt es gar nichts«, sie liebte die alten Wiener Lieder.

»Sei ned bös, ned nervös, denk, es war nix ...«, sang sie weiter. Viele Textstellen kannte sie noch, und sie sah gerne aus dem Fenster, während sie der Musik lauschte.

Der Himmel strahlte blau, ab und zu zogen weiße Wölkchen vorüber.

Entfernt drang ein Klopfen an ihr Ohr. Eine Tür öffnete sich, wurde leise geschlossen, dann trat eine Frau in ihr Gesichtsfeld, beugte sich zu ihr, berührte sie sachte am Arm und lächelte sie an.

Ein schönes Lächeln, das sich in den Augen der jungen Frau widerspiegelte und sich warm im Herzen der alten Dame ausbreitete.

»Guten Morgen, Frau Novak. Wie geht’s Ihnen?«

»Ah, die Frau Iris.« Die Decke rutschte auf den Boden, doch wurde sofort wieder von Frau Iris über die Beine gelegt. Die alte Dame zupfte unbeholfen daran herum.

»Schön, dass da sind. Na, wissens ja eh, wie’s mir geht. Schauens mich an. Beine dick wie des Michelin-Maxl und dann der Blutdruck. Ein Wunder, dass ich noch z’haus sein kann in dem Zustand. Denkens nur an die Frau Vaclavik. Die ist arm dran mit ihrer Arthrose - und ihr Herz mag eh auch nimmer. Und was ist passiert? Ins Heim haben’s es g’steckt, die Luder.«

Frau Iris legte ein fettiges Papiersäckchen auf den Küchentresen.

»Ich glaube, dass Frau Vaclavik sich am Sonnenhof wohlfühlt. Dort hat sie rund um die Uhr Betreuung, bekommt regelmäßige Mahlzeiten und Medikamente und sie kann spazieren gehen.«

»Aber geh, Frau Iris. Ein Heim ist doch nix.« Die alte Dame schnaubte unwillig.

»Alleine das Essen, grauslich, sag ich Ihnen. Kein g’scheites Schnitzel, und der Erdäpfelsalat schmeckt so fad, dass glaubt hat, die haben die Erdäpfel vergessen, sagt’s, die Vaclavik.«

Iris schmunzelte. Früher hatte die Dame Frau Vaclavik immer am Sonnenhof besucht. Das ging nicht mehr. Inzwischen wurde Frau Novak selbst rund um die Uhr betreut.

»Wie gehts denn der Frau Vaclavik so?«, fragte Iris trotzdem.

»Na, wie solls ihr schon gehen? Fünfundachtzig Jahre alt und im Heim. Ich sag Ihnen, ihr Leben ist vorbei. Die Verwandten kommens ned besuchen und dann muss’s auch um neun ins Bett. Ich mein, wo kommen wir da hin? Die kann sich ned mal Dancing Stars anschauen, weil dann kommts, die Oberschwester, und schimpft. Ist ja ärger als im Kindergarten. Wenn man alt wird, ist’s nimmer schön, sag ich Ihnen. Alle bestimmens, was‘d tun darfst. Ned einmal ein Glaserl Wein darf man genießen, dann kommens daher mit ihren Vorschriften und ihren Angstmachereien.« Sie schüttelte den Kopf.

»Heilfroh bin ich, dass meine Verwandten in Salzburg leben. So könnens mich nicht sekkieren. Wenns in Wien wären, hättens wohl auch die Idee g’habt, mich in ein Heim zu stecken. Nix gegen die Institutionen hier, aber dann bist geliefert. Nix hast mehr zu reden. Alle fahrens dir drüber, wennst was sagst.«

Es klopfte an die Tür. Iris öffnete und ließ eine kleine, pummelige Frau ins Zimmer.

»Guten Morgen, Tante Fanny.«

»Jessas, die Mizi ist da! Wie schön! Bist mit dem Zug kommen?« Frau Novak strahlte den Neuankömmling an.

»Wieso hast denn ned g’sagt, dass’d kommst?«

Die Besucherin blickte irritiert von Frau Iris zu ihrer Tante.

»Aber Tante Fanny, ich komm doch jeden zweiten Tag.Und außerdem wohn ich nicht mehr in Salzburg. Also wirklich.«

Frau Novak kniff die Augen zusammen und musterte ihre Nichte.

»Das hast mir nicht g’sagt. Sowas hätte ich mir gemerkt.«

»Tantchen, du hast es nur wieder vergessen. Macht ja nichts. Weißt ja eh, was der Doktor Hoffmann immer sagt.«

Ein wenig verwirrt sah Fanny Novak ihre Nichte an.

»Doktor Hoffmann? Wer ist denn der?« Sie schnaubte unwillig. »Sicher ein Scharlatan, der glaubt, er kann dem Doktor Nigel seine Patienten wegnehmen.«

»Aber Fanny«, verständnislos musterte die Nichte die alte Frau. »Doktor Hoffmann ist doch dein Arzt. Den hast schon länger. Der Nigel ist längst in Pension gegangen.«

Entschlossen richtete sich die alte Dame auf.

»Nein, der Nigel ist ned in Pension. Was erzählst denn da für einen Blödsinn.« Sie schüttelte den Kopf. »Also wirklich, Mizi, du warst lange nimmer hier. Hast sicher vergessen, dass der Nigel noch mein Arzt ist.«

»Wir sprachen gerade über die Frau Vaclavik am Sonnenhof«, versuchte Iris dem Gespräch eine Wende zu geben.

Mizi hielt kurz inne, atmete ein. Ein entschlossener Zug erschien auf ihrem Gesicht.

»Das reicht. Jedes Mal kann ich mir den Blödsinn anhören.« Kopfschüttelnd ließ sie sich auf den zweiten Sessel gegenüber ihrer Tante nieder.

»Der Nigel ist in Pension und der Hoffmann ist seit über drei Jahren dein Arzt. Du hast es vergessen. Aber ich schreib‘s dir auf.« Als sie die Hand auf den Arm ihrer Tante legte, zuckte diese unmerklich zusammen.

»Du musst nix aufschreiben. Ich weiß, wer mein Arzt ist.« Dann wandte sie sich an Iris. »Sagens ihr das bitte, Frau Iris.«

Iris nickte.

»Doktor Nigel ist der beste Arzt, den Sie kennen.« Sie lächelte der Frau aufmunternd zu. Fanny lächelte zufrieden zurück.

»Larifari!«, fuhr die Nichte verärgert fort. »Erzählens ihr doch die Wahrheit. Sie sind die Betreuerin. Sie sollten es besser wissen. Ich meine, irgendwann muss sie es ja akzeptieren.« Sie berührte erneut ihre Tante am Arm, doch diesmal reagierte die alte Frau nicht darauf.

»Ich mein ja nur«, fuhr sie mit sanfterer Stimme fort. »Du solltest endlich akzeptieren, dass du zuhause nicht bleiben hast können. Ich meine es ja nur gut mit dir, so verwirrt, wie du bist. Hier bist gut aufgehoben.«

Iris seufzte, wollte etwas sagen, doch ließ es bleiben. Wuselig erhob sich die Nichte und drehte das Radio zurück.

»Also diese Musik, entsetzlich.«

»Du brauchst keine Angst haben, vorm Wiener Lied, Mizi«, meinte die alte Dame besänftigend.

»Angst? Wovon um Himmels Willen sprichst du? Diese alten Lieder bringen dich nur auf dumme Gedanken. So kanns ned weitergehen. Immer dieses Herumgerede, die Musik, alles die reinste Farce. Es wird Zeit, der Wahrheit ins Gesicht zu schauen.« Erneut setzte sie sich ihrer Tante gegenüber hin. »Und die Vaclavik ist im Vorjahr gestorben.«

»Nein, das kann nicht sein.« Die Hände der alten Dame zitterten. »Ich habs doch heute Nachmittag erst besucht.«

Ein tiefer Seufzer entrang sich Mizis Kehle.

»Das denkst du doch nur. Du kannst schon lange nicht mehr raus. Bist ja immer durcheinander und verirrst dich. Bist ja selbst am Sonnenhof.« Kopfschüttelnd wandte sie sich an die Betreuerin.

»Sagens ihr doch, was los ist! Sagen’s ihr endlich die Wahrheit.« Sie hob den Zeigefinger. »Es ist schlecht, wenn man Leute anlügt. Das hab ich schon als Kind gelernt.«

»Ich sage Frau Novak ständig die Wahrheit«, antwortete Iris. Betrübt betrachtete sie die alte Dame, die zusammengesunken in ihrem Sessel saß. Klein, eingefallen, zerbrechlich. Ihr Blick verlor sich irgendwo im blau schimmernden Himmel jenseits des Heimes. Nichts war mehr von der Dame übrig, die zuvor ein Wiener Lied mitgesummt und von ihrer Freundin gesprochen hatte.

Iris streichelte sachte den Arm ihrer Patientin. Von oben nach unten, ganz behutsam.

»Nein, Frau Vaclavik ist nicht tot. Sie haben sie oft besucht.« Iris richtete sich auf und sah die Nichte an, die mit einem Mal ganz still war, nachdenklich.

»Die Wahrheit stellt für jeden von uns etwas anderes dar, Frau Maria. Das haben wir schon besprochen.«

Diese blickte auf ihre Hände, verschränkte die Finger ineinander, löste sie wieder, stand auf, sagte

»Ich geh lieber«

Iris musterte die Frau prüfend, die mit einem Mal wirkte, als würde die schwere Last, die sie zu tragen glaubte, noch ein wenig schwerer.

»Das Leben Ihrer Tante ist gut. Sie ist glücklich mit ihren Wiener Liedern und der Frau Vaclavik. So ist eben ihr Leben jetzt. Wenn Sie ein Teil davon sein wollen, können Sie nicht immer weglaufen.«

»Aber die Tante hat ja komplett dichtgemacht, schon wieder.«

Iris nickte.

»Ja, aber das wird schon. Setzen Sie sich hin. Sie freut sich, wenn Sie hier sind.«

»Na ich weiß nicht. Ich seh das anders als Sie.« Unschlüssig blieb die Nichte bei der Tür stehen.

»Frau Novak. Ihre Nichte möchte gerne ein bisschen bleiben. Ich mach uns nachher einen Kaffee«, wandte sich Iris an die alte Frau.

Unschlüssig, wie sie sich nun verhalten sollte, verharrte die Nichte mitten im Raum.

Iris richtete inzwischen Teller und Schüssel her.

»Heute gibt es Schnitzel frisch vom Schöberl.« Lächelnd nahm sie das panierte Fleisch und die Box mit Erdäpfelsalat aus dem fettigen Sackerl heraus.

»Und den Salat hat Frau Schöberl selbst gemacht, soll ich ausrichten.«

»Kein g’scheites Schnitzel habens im Heim, sagt die Vaclavik, und der Erdäpfelsalat ist so fad. Ganz anders als beim Schöberl«, erklang die Stimme der alten Frau wieder.

Iris drehte sich zu der Dame um, deren Augen munter funkelten.

»Ja, stimmt. Kein g’scheites Schnitzel am Sonnenhof.«

Frau Maria seufzte schwer. Ihr Unbehagen machte sich erneut bemerkbar.

»Schon wieder die Frau Vaclavik.« Sie wollte noch etwas hinzufügen, doch besann sich eines Besseren. Zögerlich nahm sie auf den zweiten Sessel platz.

»Ja. Mizi, so ists mit diesen Heimen. Nix g’scheits zum Essen kriegst dort«, fuhr die alte Dame fort. »Eine Katastrophe, sag ich dir. Und dieser komische Vogel Hoffmann, oder wie der heißt, der kommt mir nicht ins Haus, sag ich nur. Weil die Vaclavik sagt immer, der ist ein Dodel mit all seinen Vorschriften.«

Iris lachte leise, ehe sie das Radio wieder lauter drehte.


»... Renn nur nicht gleich verzweifelt und kopflos herum,
denn der Herrgott weiß immer warum.«